Die Macht der Vergebung

Die Macht der Vergebung

Es war einmal. Und nun diese Stille. Zwei unsichere Augen tasten mich unentwegt ab, und mir wird bewußt: Sie werden nicht mehr sehen, nicht mehr, als ihnen möglich ist. Unaufhaltsam vergeht die Zeit. Unsere Zeit. Unaufhaltsam schreitet das Leben voran. Und wir verlieren einander. Nach all dem, was wir an Erfahrung erlebten, mußten wir uns noch weiter trennen, mußte der Abstand noch größer werden, mußten wir uns noch weiter voneinander entfernen, – bis wir uns heute wieder sehen. Unter diesen Umständen, die ich nie wollte. Da sehen sich zwei Menschen scheu und verlegen gegenüber, und der erste Moment ist bestimmt von bangem Schweigen eines befangenen Willens; jedoch ohne den geringsten Vorwurf, von all dem bisher Versäumten und Ungelösten nie etwas angesprochen zu haben.

Jetzt nur einander erreichen, sonst nichts. Die Hoffnung war alt und verbraucht; nun ist sie neu geweckt; ein neuer Blick. Sogleich macht sich eine gekränkte Empfindung bemerkbar, wieder einmal berührt sie jenen wunden Punkt, der lange schon angesprochen sein sollte. Warum bloß wiederholt sich das Störende, bis alles zerstört ist? Warum immer nur Schweigen, bis alles vorbei ist? Gegenüber der schwache kranke Mund beginnt zögerlich und leise versöhnliche Worte hervorzubringen, und ich gebe mir Mühe, daß ich verstehen kann, was diese schleppende Stimme mir sagen möchte. Eine klaffende Wunde sieht mich an, die immer noch mit den gleichen Worten von damals sucht, nur daß sie heute kaum mehr Kraft besitzt, ihre Stimme zu halten. Es tut herzzerreißend weh. Nun also miteinander reden, wo doch das Vermeiden früher so sehr bevorzugt wurde – und das für mich oft so vernichtend und kaum zu ertragen war. Wenn man nur lange genug schweigt, hat man das Reden irgendwann verlernt, und hier scheint es nun so, als drehte sich in diesem Raum das ganze Leben um.

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