
Fast unwirklich will es mir vorkommen, daß meine auf mich wartende gegenüberliegenden Seite meinen Willen auf solche Weise beeinflußt. Wie ist das möglich? Da bricht es in mir auf: Eine tiefe Sehnsuchtsberührung in mir läßt Tränen aufsteigen, Tränen über Tränen ohne Halt, und der aufkommende, sanfte Wind scheint nur darauf gewartet zu haben, sie vorsichtig aufzunehmen und sie hinwegzuführen. Ein enormer Fluß der Liebe durchströmt mich.
Das Bild wird immer deutlicher. Die Erscheinung kommt näher. Da erkenne ich sie wieder: Die Mutter! Es ist die Mutter. Mutter, du bist es? Ja, du bist es wirklich! Das Ziel meiner Tränen. Und du bist wahr. Jetzt sehe ich es. Überall habe ich gesucht, und nun habe ich dich gefunden. Die Gestalt über dem Wasser gewinnt immer mehr… Und nun erkenne ich: Du bist die gesamte Erinnerung des Verlorenen. Du bist es. Du bist die große Liebe der Menschen! Die verlorene Wahrheit der Schöpfung. Du bist die Göttin, die mit all ihrer Macht entschuldigender Nachsicht bereit ist… und es rinnen nur noch Tränen, – Tränen über Tränen ohne Halt…
Wieviel Zeit mag vergangen sein, als wir noch reden, spielen, und uns miteinander freuen konnten? Nun bist du noch viel vollendeter als auf dem Bild, das ich von dir hatte: So unsagbar schön, daß noch nicht einmal meine Phantasie imstande gewesen wäre, solch eine zauberhafte, weiche Zartheit, solch eine vollendete Anmut in meine Vorstellung zu bringen. Da spüre ich: Eine unermeßlich reiche Güte nimmt mich auf, durchströmt alle Bereiche meiner Seele, und ich antworte: diese Gefühle – die ich wegen des Schmerzes, dich womöglich nie mehr zu sehen, dich gar auf ewig verloren zu haben – wollte ich für immer verbergen.
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