
Für die Kinder wurde alles getan, auch das, was man vielleicht nicht hätte tun sollen. Da wurden die eigenen Wünsche und Bedürfnisse völlig aufgegeben; alles was die eigene Persönlichkeit betraf, stellte man zurück. Hier fand so etwas wie die Opferung des Selbst statt. Als würde sich jemand freiwillig einem Gespenst unterwerfen. Es schien auch, als wäre – bei allen Dementis – dies eine ideale Gelegenheit, dem Leben etwas abzugewinnen, das entweder bereits verloren schien oder nie da war: Sinn! Ja, dem Leben einen Sinn geben oder abringen, wo man doch vom eigenen bisher nicht viel oder gar nichts wußte. Unbekümmert und aufopferungsvoll ergab man sich fortan einer dominanten Pflicht, die einen später womöglich bis zum kleinsten Nennwert niederrichtet…
Bei allem, was man tat, achtete man auch darauf, was andere machen und sagen, wie Kinder, die miteinander ihr Eis verzehren, und während sie ständig darauf achten, wer noch am meisten von der erfrischenden Köstlichkeit besitzt, geht ihnen die Aufmerksamkeit für den lieblichen Geschmack verloren. Nach einiger Zeit verblaßte dieses kurze Glück, denn die Kleinen wurden größer, und die einst spielerische Art verlor sich zusehends. Zunehmend wich die Freude einer aufkommenden Ernsthaftigkeit. Und die zu verteilende Liebe wurde manchmal daran geknüpft, wie man die Regeln der Gemeinschaft einhält. Liebesentzug ist eine schlimme Strafe, vielleicht die schlimmste für ein Kind.
Dieser Übergang gestaltete sich fließend, denn es verstärkten sich nun auch die Mißtöne, und über allem thronte die Ablenkung durch das ferne Medium mit all seinen vielen verführerischen Möglichkeiten breitgestreuter Oberflächlichkeit. Zudem sah man sich weiter in der Pflicht, einen Beitrag als Vorbild dem Umfeld gegenüber zu leisten, obwohl es zusehends mühsamer wurde. Von irgendwelchen Vorhaben war auch ständig die Rede, wie ein Reisender, der sich immerzu wie ein Süchtiger neuen Träumen hingibt…
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